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Unternehmergespräch 2025: Wie bremsen wir Staatsquote und Verwaltungswachstum?

«Wir müssen den Staat wieder einfangen»

von Andreas Schürer, rivedia.com

Die öffentliche Verwaltung wächst schneller als Bevölkerung und Wirtschaft – mit gravierenden Folgen für die Standortqualität. An einem Unternehmergespräch der UGW forderten Prof. Christoph Schaltegger und Filippo Leutenegger einen Kurswechsel. Sie analysierten die Ursachen der Staatsausdehnung, zeigten Handlungsmöglichkeiten auf – und riefen die Bürgerlichen zu mehr Mut im politischen Diskurs auf.

«Wir sind dabei, die Kontrolle über den Staat zu verlieren», sagte Prof. Christoph Schaltegger, Direktor des Instituts für Wirtschaftspolitik (IWP) an der Universität Luzern, gleich zu Beginn seines Referats. In nüchternem Ton, aber mit klaren Worten beschrieb der Ökonom eine gefährliche Schieflage: Während die Schweiz in den letzten Jahrzehnten die sogenannte Friedensdividende nutzte, um den Sozialstaat und namentlich die AHV stetig auszubauen, wurden gleichzeitig Grundfunktionen des Staates wie die Verteidigung sträflich vernachlässigt.

«Wir haben die Friedensdividende für den Sozialausbau verfrühstückt – und bei der Landesverteidigung gespart», sagte Schaltegger. Es brauche jetzt eine Umkehr dieses Prozesses. Doch wer auf Sparsamkeit poche, gelte schnell als Hardliner. «Wenn wir das Ausgabenwachstum von 3 auf 2 Prozent dämpfen wollen und das bereits als Austeritätspolitik bezeichnet wird, dann zeigt das, wie sehr sich die Debatte verschoben hat.»

Noch brisanter sei aber die strukturelle Dynamik: Der öffentliche Sektor, insbesondere Bildung und Verwaltung, wachse selbst in wirtschaftlich stabilen Phasen ungebremst weiter. Auch hier könne von Sparen keine Rede sein – selbst nicht im aktuell debattierten Entlastungspaket. Vielmehr gehe es darum, das Ausgabenwachstum zu bremsen. «Der Bildungssektor gehört sicher nicht zu denen, die als Erste jammern sollten», merkte Schaltegger trocken an.

Staatsausgaben als Beute – und die Rolle der Subventionen

Ein zentrales Element der expansiven Staatsausgaben sieht Schaltegger in der Subventionspolitik. «Subventionen sind nichts anderes als Staatsausgaben, die an Interessengruppen gehen – oder an Beutejäger, wenn man es pointiert formulieren will.»

Christoph Schaltegger, Direktor IWP Universität Luzern

Gerade wirtschaftsnahe Kreise, so seine Kritik, machten sich oft mitschuldig an dieser Entwicklung. «Wenn bürgerliche Politiker oder Wirtschaftsverbände das süsse Gift der Subventionen kosten, verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit in der Finanzpolitik.» Der Ökonom forderte eine konsequente Priorisierung der grossen Brocken: etwa bei der AHV oder der staatlichen Lohnsumme, die mittlerweile deutlich über den Löhnen der Privatwirtschaft liege.

«Der Gedanke der Finanzierbarkeit kommt im Gemeinderat nicht mehr vor»

Noch plastischer wurde die Problematik im Erfahrungsbericht von Filippo Leutenegger, Präsident der FDP Kanton Zürich und Stadtrat der Stadt Zürich. Seine Diagnose: «In Zürich schwimmen wir im Geld – aber wir wissen kaum noch, was wir damit tun.»

Als Beispiel nannte er den schulischen Bereich: «Wir wollten eine ‹Tagesschule light›. Die SP hat daraus eine ‹Tagesschule heavy› gemacht – mit einem Betreuungsschlüssel von 1:7, was extrem ist.» Dabei, so Leutenegger, wollten Kinder nicht dauerbespasst werden. Doch der Ausbau werde kaum je hinterfragt – wer es tue, gelte sofort als bildungs- oder gar als kinderfeindlich.

Filippo Leutenegger, Präsident FDP Kanton Zürich

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Während die Stadtbevölkerung in den letzten Jahren um 7 Prozent gewachsen ist, nahmen die Schülerzahlen um 9 Prozent zu – die Zahl der Stellen in der Verwaltung aber um 43 Prozent und die Kosten gar um 51 Prozent. Wie das zustande kommt, schilderte der Stadtzürcher Bildungsvorsteher eindrücklich mit Bezug auf die letzte Budgetdebatte im Gemeinderat: «Ich wollte 37 neue Stellen – heraus kam ich aus der Budgetdebatte mit über 100», erzählte Leutenegger. «Obwohl ich sie weder wollte noch brauchte.»

Kernverwaltung soll nicht stärker wachsen als die Bevölkerung

Die FDP Kanton Zürich plant gemäss Leutenegger deshalb eine Volksinitiative, deren Kernforderung bestechend einfach ist: Das Wachstum der kantonalen Kernverwaltung soll künftig nicht mehr das Bevölkerungswachstum übersteigen dürfen. «Wir brauchen wieder ein Gespür für das Massvolle. Heute geht es oft nur noch um Ideologie und Aktivismus.»
Für Leutenegger ist klar: Die Bürgerlichen müssen raus aus der Defensive. «Wir sind anständige Menschen, wir werden nicht gern angerempelt. Aber wir müssen uns mehr exponieren. Auch wenn es bedeutet, dass man angegriffen wird.» In vielen Bereichen hätten die Bürgerlichen die Deutungshoheit verloren. «Die Linke will alles verstaatlichen – unterstützt von Medien, die immer stärker deren Echo sind.»

Ein besonders krasses Beispiel sei das von der SP und deren Mitstreitern geforderte Vorkaufsrecht des Staates auf dem Wohnungsmarkt. «Das wäre ein Systemwechsel – ein direkter Angriff auf das Eigentum.»

Schaltegger: Bürgerliche müssen lernen, dass sie nicht mehr das Establishment sind

Auch Christoph Schaltegger sieht im ideologischen Terrainverlust der bürgerlichen Kräfte eine zentrale Herausforderung, wie er im Gespräch mit Christian Bretscher, Geschäftsführer der UGW, sagte. «Das Establishment ist heute nicht mehr bürgerlich – sondern aktivistisch und etatistisch geprägt», sagt er. Wer als Bürgerlicher nach Effizienz und Eigenverantwortung rufe, gelte rasch als unsozial.

Dabei brauche es dringend ein neues bürgerliches Selbstverständnis: «Die Bürgerlichen müssen lernen, dass sie nicht mehr das Establishment sind. Und sie müssen sich als echte Alternative profilieren – nicht als Mitverwalter des Status quo.»

Engagierte Diskussion: Christian Bretscher, Christoph Schaltegger und Filippo Leutenegger (v.l.n.r.)

Sein Appell richtet sich nicht nur an die Politik, sondern auch an die Unternehmer. Diese müssten sich wieder mehr im politischen Alltag engagieren – und aufzeigen, wie wirtschaftliche Freiheit und sozialer Zusammenhalt in einem liberalen Staat zusammenspielen.

Mut zur Konfrontation

Was also tun? Schaltegger bleibt pragmatisch. Wer wirklich sparen wolle, müsse sich an zwei Stellschrauben wagen: an die Subventionen – und an die Löhne im öffentlichen Dienst. «Wenn die Verwaltungslöhne dauerhaft über denen der Privatwirtschaft liegen, verliert eine Volkswirtschaft an Wettbewerbsfähigkeit.»

Die Diagnose von Schaltegger und Leutenegger ist klar – ebenso der Handlungsbedarf. Ein überbordender Staat ist nicht nur teuer, sondern auch träge, ungerecht und innovationsfeindlich. Die beiden Referenten forderten deshalb mehr politisches Engagement – und mehr Mut zur Konfrontation.


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